Im Schlagschatten von Vergangenheit und Grenze Goslarsche Zeitung, Sonnabend, 9. September 2000
Eine Ermahnung an die Stadt Salzgitter-Zeitung, Samstag, 7. Oktober 2000
Die Braunschweigische Landesgeschichte:
Präsentation eines bemerkenswerten Buches

Im Schlagschatten von Vergangenheit und Grenze

BAD HARZBURG. Allein der Untertitel des Folianten ist Ehrfurcht gebietend: "Jahrtausendrückblick einer Region". Jedoch, "Die Braunschweigische Landesgeschichte" verdient weniger Ehrfurcht, viel mehr (Be-)Achtung. Denn beachtlich ist es allemal, was rund 40 Wissenschaftler auf 1264 Seiten zusammengetragen haben. Und beileibe kein "trockener" Lesestoff, insbesondere natürlich für die Menschen des Braunschweiger Landes.

   Wie lebendig Geschichte dargeboten werden kann, dies stellte Dr. Gudrun Fiedler im Bündheimer Schloß bei der Präsentation des Werkes durch den Braunschweiger Geschichtsverein und die Stiftung Nord/LB - Öffentliche unter Beweis. "Neuanfang und Wiederaufbau in der Region und im Lande. Die Jahre von 1945 bis 1989 aus historischer Sicht". Der Titel des Vortrages ließ kaum erahnen, wie spannend und unterhaltsam zugleich der Abend werden würde.
   Immer wieder auf Bad Harzburg zurück kommend, die Geschichte der Kurstadt quasi als Spiegel der Braunschweigischen Landesgeschichte nutzend, gelang es Dr. Grudrun Fiedler, ihr Publikum im Ritteersaal zu fesseln. Anhaltender Applaus, einige interessierte und von Sachkunde zeugende Nachfragen sowie der Umstand, dass sich etliche Zuhörer mit dem 2,5-Kilogramm-Werk auf den Heimweg machten, zeugten davon, dass die Archivoberrätin des Landarchivs Wolfenbüttel den Nerv des Publikums getroffen hatte.
   Dies ist denn auch das Anliegen der Präsentationsabende in den Gemeinden des alten Braunschweiger Landes. Michael Döring, Mitglied des Stiftungsvorstandes, und Dr. Ulrich Schwarz, Vorstandsmitglied des Braunschweiger Geschichtsvereins, wiesen zur Begrüßung nachdrücklich darauf hin, daß mit der Abhandlung beileibe kein Standardwerk für Historiker hatte geschaffen werden sollen. "Ein Bekenntnis zum reichen historischen Vermächtnis des Braunschweiger Landes, eine Identifikationsbasis und ein Beitrag zur Stärkung des Selbstbewußtseins der hier lebenden Menschen" solle das Buch sein - was voraussetzt, dass das Buch diese Menschen auch erreicht. An insgesamt 19 Vortragsabenden in der Region tragen die Autoren ihren Teil dazu bei.
"Nicht mehr Land und doch Region", So hatte Dr. Schwarz in den Vortragsabend eingeleitet. Und auch der heutigen Region dürfte es gut tun, mit diesem Buch und den Vorträgen an die eigene Geschichte als Land erinnert zu werden.

Goslarsche Zeitung, 9.9.2000

1300 Seiten Braunschweigische Landesgeschichte
Eine Ermahnung an die Stadt
Von Katja Mortzfeld

   Der ehemalige Präsident der TU Braunschweig, Professor Dr. Bernd Rebe, zeigte sich überrascht von der Resonanz, als er in der Kulturscheune zur Vorstellung des neuen Buches über die Braunschweigische Landesgeschichte sprach. Das "geschichtliche Interesse ist hier wohl besonders ausgeprägt", sagte Rebe, der zuvor allerdings zugeben musste, die Kulturscheune in Salder vermutet zu haben.
   Erheiternde Worte bei der Präsentation eines wissenschaftlichen Werkes? Durchaus beabsichtigt, soll doch das knapp 1300 Seiten dicke Mammutwerk mit dem Untertitel "Jahrtausendrückblick einer Region", das der Braunschweigische Geschichtsverein zu seinem 100-jährigen Bestehen in Auftrag gab, auch scheibchenweise vom Laien gut zu lesen sein.
   Herausgeber des Bandes sind Dr. Horst-Rüdiger Jarck und Prof. Dr. Gerhard Schildt, unterstützt wurde das Projekt, an dem 36 Wissenschaftler mitgearbeitet haben, von der Stiftung Nord/LB-Öffentliche. Auf einer Reise durch 19 Orte des ehemaligen Braunschweiger Landes stellten Prof. Dr. Bernd Rebe gemeinsam mit Dr. Gudrun Fiedler und Dr. Bernd Rother deshalb auch in Salzgitter einen Aspekt aus dem neuen Werk der Öffentlichkeit vor.
   "Es werden nicht nur Zahlen aufgelistet, das Buch hat auch den Anspruch, der Identifikation mit der Braunschweiger Gegend zu dienen, Material zur Reflexion über Vergangenheit und Zukunft zu bieten", sagte Dr. Rebe. Schließlich sei die zu beobachtende Rückbesinnung auf die Region auch eine Folge der Globalisierung. "Und was prägt eine Region mehr als ihre Geschichte."
   Auf die Auswirkungen, die ein anderer Verlauf der Historie im Braunschweiger Land auch auf Salzgitter gehabt hätte, wies Dr. Gudrun Fiedler vom Vorstand des Geschichtsvereins schmunzelnd hin. "Vielleicht läge Salzgitter nicht im Braunschweiger Land, wäre die Zonengrenze ganz woanders verlaufen..."
   Die Frage, warum gerade das Land Braunschweig von einer Orientierung nach links zu einem Zentrum der Rechtsradikalisten werden konnte, versuchte Dr. Bernd Rother von der Berliner Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in seinem Vortrag "Von der sozialistischen Revolution zur NS-Machtergreifung. Das Land Braunschweig 1918-1933" zu klären. Punkt für Punkt und auch für den historischen Laien nachvollziehbar erklärte Rother die damaligen politischen Verhältnisse, angefangen bei der zersplitterten Parteienlandschaft der Weimarer Republik über die Konflikte mit der Kirche bis hin zur (weitgehend unerforschten) Frage, warum es in Braunschweig 1933 die höchsten NSDAP-Wahlerfolge des ganzen Reiches gab.
   Rother nahm aber auch bezug auf Salzgitter-Nord, in dem er immer wieder die Wahlergebnisse und die Stimmung innerhalb der Bevölkerung anführte. Und er ermahnte die Stadt regelrecht, dem Osterlinder Lehrer und Sozialdemokraten Julius Schulz ein würdiges Andenken zu wahren. Schulz starb 1944 im KZ Sachsenhausen.

   Das Buch ist im Appelhans-Verlag erschienen, kostet 68 Mark und ist im regionalen Buchhandel und in den Geschäftsstellen der Braunschweiger Zeitung/ Salzgitter-Zeitung erhältlich.

Salzgitter-Zeitung, 7.10.2000